Kinder- und Herzzentrum (KHZ), Innsbruck

Architektur: Nickl & Partner, München, Malojer Baumanagement GmbH & Co, Innsbruck mit Architekturhalle, Telfs

Tragwerksplanung: WSP Deutschland AG und BPR Dr. Schäpertöns Consult GmbH & Co. KG, beide München

Neben der IT-Branche ist der Gesundheitssektor mit der angeschlossenen Medizintechnik einer der sich am schnellsten wandelnden Bereiche unserer modernen westlichen Volkswirtschaften. Dementsprechend dynamisch, wie auch anspruchsvoll, sind die damit verbundenen baulichen Leistungen an die erforderlichen Gebäude. Das vom Bauherrn TILAK – Tiroler Landeskrankenanstalten GmbH auf dem Gelände der Medizinischen Universität Innsbruck neu errichtete Kinder- und Herzzentrum (KHZ Ost und KHZ West), in unmittelbarer Nähe zur Innsbrucker Innenstadt, ist dafür ein prägnantes Beispiel.

Auf dem mehrere Gebäudeblöcke umfassenden Universitätscampus finden fortwährend Baumaßnahmen statt. Eine der größten war der in zwei Bauabschnitten erfolgte Neubau einer kombinierten Kinder- und Herzklinik. Das Herzzentrum verfügt über 74 Betten, das Kinderzentrum über 142 Betten, hinzu kommen noch die Räume therapeutischer Einrichtungen, z.B. ein auf dem Dachgeschoss befindlicher Kindergarten. Der zweite Bauabschnitt (KHZ West) begann 2011 mit dem Abriss der sich auf dem Gelände befindlichen alten Kinderklinik. Die Fertigstellung bzw. die Eröffnung des KHZ West erfolgte im Sommer 2015.

Mitarbeiter der BPR Dr. Schäpertöns Consult betreuten schon den ersten Bauabschnitt, der bereits 2009 in Betrieb genommen wurde, bis BPR 2011 dann für WSP die komplette Tragwerksplanung für das KHZ West vom Entwurf bis zur Bauüberwachung übernahm.

Der ca. 5.200 m² große, sechsgeschossige orthogonale Baukörper des zweiten Bauabschnitts ist mit zwei Untergeschossebenen und 100 Tiefgaragenstellplätzen unterbaut. Er fügt sich gut in die enge wie geschlossene städtebauliche Struktur des Campus ein. Analog zu dem von Nickl & Partner geplanten ersten Bauabschnitt handelt es sich bei dem zweiten um einen gemeinschaftlich von der Architekturhalle aus Telfs in Tirol sowie dem Innsbrucker Architekturbüro Malojer entworfenen Neubau. Seine wesentlichen konstruktiven Kriterien sind: eine Stahlbetonskelettkonstruktion mit Flachdach, Flachdecken, Stützen, aussteifenden Kernen und einer massiven Bodenplatte.

Im Erdgeschoss und 1. UG befindet sich ein großer Hörsaal in zweigeschossiger Ausführung mit 295 Sitzplätzen. Das äußere Erscheinungsbild des Hörsaales entspricht einem

monolithischen Baukörper, welcher sich in seiner Materialität über den Vorplatz herausschiebt. Die gesamte Außenhaut ist in Sichtbeton ausgeführt. Die Hörsaaldecke wird als Unterzugdecke ausgebildet, um die großen Spannweiten von 13,50 m stützenfrei zu überbrücken. Mit einer Unterzugdecke konnten die Träger als Fertigteile vorgefertigt werden, und so das ansonsten notwendige Raumgerüst eingespart werden.

Der nördlichen Fassade vorgehängt ist die sogenannte „Magistrale“, eine eingeschossige Stahlkonstruktion, die die Anbindung an den Bauabschnitt BA 1b und die aufgestockte Frauen-Kopf-Klinik (BA 1a) gewährleistet. Die Anbindung an die bestehende Chirurgie wurde über einen als Stahlfachwerkkonstruktion konzipierten Verbindungssteg realisiert. Ihr Pendant findet die Magistrale in den unterirdischen Versorgungs- und Verbindungsgängen (Kollektorgänge) an der Süd- bzw. Ostseite. Diese wurden teils aufwendig überbaut, z.B. mit Hilfe von Auskragungen und „durchdringenden“ Stützen. Eine besondere Herausforderung waren hierbei die jeweiligen Anbindungen des Neubaus an den Bestand unter Berücksichtigung der Grundwasserverhältnisse und der zu erwartenden Setzungen des Neubaus.

Das Stützenraster des zweiten Bauabschnitts beträgt in der Längsrichtung 7,50 m bzw. 5,00 m und 3,75 m, in der Querrichtung wurde ein mit dem BA 1b identisches Grundraster von 7,50 m – 6,56 m – 7,50 m gewählt. Die auf das Gebäude einwirkenden horizontalen Kräfte, insbesondere infolge Wind und Erdbeben, werden durch ausreichend steife Elemente wie Aufzugs- und Versorgungsschächte sowie Stahlbetonwände in den Baugrund abgeleitet. Die Einleitung dieser Horizontalkräfte in die Aussteifungselemente erfolgt durch die als Scheiben ausgebildeten Decken. Der Erdbebennachweis, der der maßgebende Lastfall für die Aussteifungsberechnung des Gebäudes war, wurde anhand eines 3D Modells für das Gesamtgebäude geführt.

Im gesamten Bauwerk gilt das vom Betreiber ausgegebene Leitbild „Der Arzt kommt zum Patienten“. Es verlangt von der Architektur und der Grundstruktur des Bauwerks eine sehr hohe Effizienz und Flexibilität. So hatten von Anfang an die Zonierung und die Wegführung in Bezug auf das Raster des Tragwerks oberste Priorität. Mit der Anbindung an die Nachbarbauten, seiner effizienten Raumnutzung und der hohen gestalterischen Ausbildung trägt der Neubau signifikant zur Qualitätssteigerung in der Patientenversorgung bei. Darüber hinaus wurden die örtliche Zusammenführung von medizinischen Disziplinen und eine Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit erst möglich.

Gleiches mag für die grenzübergreifende Kooperation der Fachplaner Tragwerk mit Architekt und Bauherrn gelten, die von Dr. Schäpertöns abschließend wie folgt eingeschätzt wird: „Nach anfänglicher Sorge von beiden Seite war die Zusammenarbeit mit den österreichischen Kollegen und Partnern äußerst angenehm. Irgendwann haben wir uns in Innsbruck richtig heimisch gefühlt. Wir würden uns deshalb freuen, möglichst bald erneut im benachbarten Österreich tätig werden zu dürfen.“

Christian Brensing
Berlin/London