Passage in Neumarkt Oberpfalz

Über den ökonomischen, sozialen und architektonischen Sinn und Zweck von Einkaufszentren, Shopping Malls, Factory-Outlet-Center etc. im urbanen Umfeld bestehen höchst unterschiedliche Meinungen, wie die gerade zu Ende gegangene Ausstellung „World of Malls“ im Architekturmuseum der TU München eindrucksvoll belegt hat. Das erste Einkaufszentrum West-Deutschlands eröffnete 1964 vor den Toren Frankfurts. Das Main-Taunus-Zentrum, mit eigener Autobahnabfahrt, zeigte den Weg zu der beispiellosen Etablierung einer bisher vollkommen neuen Bautypologie. Seitdem sind im gesamten Deutschland ca. 650 Einkaufstempel unterschiedlichster Art erbaut worden. Trotz eines Booms im Internet-Shopping scheint sich das klassische Einkaufszentrum weiterhin größter Beliebtheit bei den Kunden zu erfreuen. Das mag an vielerlei Faktoren liegen, zum einen zeigen die neusten Entwicklungen, dass Shopping Malls vermehrt in Innenstadtlagen und/oder zumindest in deren unmittelbarer Nähe errichtet werden. Zum anderen, versuchen seit einigen Jahren auch kleinere Städte ihre Attraktivität durch die gezielte Ansiedlung von Einkaufszentren zu erhöhen.
Einen solchen Akzent wollte auch die Kreisstadt Neumarkt in der Oberpfalz als prosperierendes Oberzentrum mit mehr als 40.000 Einwohnern setzen. Zwar liegt die Stadt nur circa 35 Kilometer von der Frankenmetropole Nürnberg entfernt, dennoch stimmte 2011 in einem Bürgerbegehren die Mehrzahl der Neumarkter für die Errichtung des Einkaufszentrums. Den Zuschlag dafür erhielt, dass mit seiner Konzernzentrale in Neumarkt ansässige Bauunternehmen Max Bögl. Das neue Stadtquartier mit seinen 40 Geschäften, einer Verkaufsfläche von über 13.000 m², einem 105 Zimmer Hotel und einer unterirdischen Parkgarage mit 500 Stellplätzen liegt direkt gegenüber vom Unteren Tor, dem nördlichen Eingang zur Neumarkter Altstadt.
Mit der Eröffnung des Stadtquartiers „NeuerMarkt“ am 17.9. 2015 vergrößerte sich die Anzahl der Geschäfte im Bereich „Einkaufen“ im direkten Bereich der Neumarkter Altstadt um rund 20%. Der Gastronomiebereich erhielt einen Zuwachs von ca. 15%. Diese Potenzierung von Einkaufsvolumen zieht auch ein entsprechendes Verkehrsaufkommen vom individuellen Fußgänger bis zur den LKWs für die Warenanlieferung nach sich. Die dadurch bedingte allgemeine Verkehrszunahme im innerstädtischen Straßennetz musste planerisch gelöst werden. Über die Vielzahl der neuen Straßen-, Geh- und Radwegflächen sowie die erforderlichen Kanalneubauten und Umlegungen haben wir in der letzten BPR aktuell berichtet.
Von der Altstadt durch das Untere Tor gelangt der Passant mittels der neuen Straßenunterführung auf direktem Weg in das Einkaufszentrum „Neuer Markt“. Über eine großzügige, unter Mitwirkung der Münchner Otto Schultz-Brauns Architekten, gestalteten Rampe und Unterführung kommen Fußgänger kreuzungsfrei in das mit Läden bestückte Untergeschoss des Einkaufszentrums. Den Eingang zur Unterführung bildet der sogenannte „Brunnengarten“, ein kaskadenartig abfallendes Gewässer, welches mittig die bis zu 26m breiten mit Bäumen bestandenen Rampe und Eingangstreppen durchfließt.
Die Fußgängerunterführung ist 45m lang und im Mittel 15m breit. Die tragende Konstruktion der Unterführung besteht im Wesentlichen aus einer überschnittenen Bohrpfahlwand, welche bis in die Tonsteinschichten abgeteuft wird. Die einzelnen Wandabschnitte sind zu einem wasserdichten Kasten (weiße Wanne) verbunden, damit die natürliche Grundwassersperre und -hemmnis im Bereich der darüber liegenden Dammstraße nicht durch das Bauwerk aufgehoben bzw. zerstört wird. Mit Hilfe einer Stahlbetonplatte in deckelbauweise gelang die Überführung der Dammstraße. Diese lagert auf den bereits erwähnten Bohrpfahlwänden und einer mittig in der Unterführung angeordneten Stützenreihe. Die barrierefreie Erschließung von der Straßenebene aus erfolgt über einen Aufzug.
Schon im Brunnengarten verschönern besonders gestaltete Wand- und Bodenoberflächen den optischen Eindruck. Zu der vorschriftsmäßigen Belichtung kommt noch eine Effektbeleuchtung, die die Wände der Unterführung abwechselnd in changierenden Farben erleuchten lässt bzw. sich in der Spiegeldecke reflektiert. Auf der östlichen Seite beginnt mit einer Reihe von Vitrinen die Einstimmung der Kunden auf das Einkaufszentrum.
„Mit dem Kaskadenbrunnen, den farblich wechselnden Lichtwänden im Durchgang und der Spiegeldecke, die einem die Passage als angenehm hoch erscheinen lässt sowie der großzügigen Bemessung des Durchgangs ergibt sich ein toller Gesamteindruck. Und sie bietet vor allem eine sicherere Querung der Dammstraße für die Fußgänger als sie oberirdisch gegeben ist.“ So äußerte sich Oberbürgermeister Thumann bei der inoffiziellen Erüffnung im August 2016. Besonders positiv sei es zu vermerken, dass die Stadt im Rahmen der 2013 vor Maßnahmenbeginn geschätzten Gesamtkosten für die vielfältigen Kanal- und Straßenbaumaßnahmen von 21 Millionen Euro geblieben sei. Geplant und überwacht wurde von BPR Dr. Schäpertöns Consult von den Niederlassungen Bad Reichenhall, München und Nürnberg aus mit Unterstützung der BPR Künne + Partner. Das Erfüllen des gestalterischen Anspruchs und die Einhaltung der finanziellen Vorgaben hat uns schon ein klein wenig stolz gemacht.